Unter dem Hammer: Der Nachlass von Karl Lagerfeld | Kunst | DW | 06.05.2022

2022-10-12 17:31:51 By : Mr. Damon Ji

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An dem Tag, an dem das Fußballtrikot von Diego Maradona bei Sotheby's London eine Rekordsumme erzielt, besucht DW-Autorin Brenda Haas Sotheby's in Köln - wo Karl Lagerfeld auf dem Programm steht.

Caroline Lang versteigert die Besitztümer von Karl Lagerfeld in Köln

Wie viel Geld sind die Menschen bereit, für ein Gemälde, einen Perlenanhänger, einen Hasen aus Edelstahl oder ein abgetragenes Fußballtrikot auszugeben? Nun, es macht natürlich einen Unterschied, ob wir von Leonardo da Vincis "Salvator Mundi", dem Anhänger von Marie Antoinette, dem "Rabbit" des Künstlers Jeff Koons oder dem Trikot der argentinischen Fußballlegende Diego Maradona sprechen.

Wenn man Aufzeichnungen griechischer Schreiber aus der Antike Glauben schenken darf, fanden Auktionen bereits 500 Jahre v. Chr. statt. Damals waren die Auktionsgüter Frauen, die als Ehefrauen versteigert wurden: Je schöner, desto höher die Gebote. Besitzer von weniger attraktiven Frauen gaben Berichten zufolge eine Mitgift dazu, um den Deal zu versüßen. Heutzutage - mit einer dramatisch veränderten Definition von "Auktionsgut" - sind Auktionen nach wie vor an der Tagesordnung, wobei Kunstgegenstände oder die Besitztümer berühmter Persönlichkeiten atemberaubende Summen erzielen.

In der Bel Etage dieser Kölner Villa fand einer von drei Teilen der Auktionsserie "KARL" statt

Maradonas Trikot - das er trug, als er beim Fußball-WM-Spiel 1986 sein berüchtigtes "Hand Gottes"-Tor gegen England erzielte - wurde am 4. Mai bei einer Auktion von Sotheby’s in London für einen Rekordpreis von 8,4 Millionen Euro verkauft. Noch am selben Abend besuchte ich den sechsten und jüngsten europäischen Standort des Hauses in der deutschen Stadt Köln, um meiner ersten Versteigerung beizuwohnen.

Es war die dritte und letzte Serie von Live- und Online-Auktionen des Nachlasses der Modeikone Karl Lagerfeld. Die vorherigen "KARL"-Auktionen in Monaco und Paris im Jahr 2021 hatten zusammen unglaubliche 18,2 Millionen Euro eingebracht - das Vierfache der Vorabschätzungen. Zu den bei der jüngeren Auktion angebotenen Artikeln gehörten Werbeplakate aus den 1920er Jahren, Karl Lagerfelds charakteristische Accessoires wie Sonnenbrillen, fingerlose Handschuhe und Fächer, außerdem Modeskizzen, iPods und Katzenutensilien, die Choupette, der geliebten Birma-Katze des verstorbenen Designers, gehörten.

Ein Kratzbaum für Katzen, der an Karl Lagerfeld erinnert

Als ich mich dem Eingang der imposanten Villa Oppenheim mit Blick auf den Rhein näherte, sah ich eine Menschenmenge, die bereits darauf wartete, zur Auktion zugelassen zu werden. Da Abendauktionen oft ausgefallenere Angelegenheiten sind, bei denen die wertvollsten Artikel zum Verkauf stehen, entdeckte ich Bouclé-Jacken, Perlenketten mit ineinander verschlungenen "C"s und monochrome Ensembles - eine Hommage nicht nur an Karl Lagerfelds ganz eigenen Sinn für Fashion, sondern auch an seine jahrzehntelange Verbindung mit den Häusern von Chanel, Fendi und seinem gleichnamigen Label.

Der Auktionssaal selbst mit seinen Rundbogenfenstern und den kunstvollen Stuckdecken war kleiner, als ich erwartet hatte. Einige der ausgeschriebenen Plakate hingen an den Wänden. Das Podium des Auktionators stand vorn in der Mitte, mit einem kleinen schwarzen Beistelltisch, darauf eine Stofftiernachbildung von Choupette. Die Auktionatorin des Abends war Caroline Lang, die Vorsitzende von Sotheby's Schweiz. Vor der Auktion sagte sie mir, es sei ihr "Talisman": "Sie wird dort bleiben und mich beschützen und Botschaften von Karl empfangen." 

Ein Bieter hält seine Nummer in der Hand

Ein Bildschirm an der Vorderseite zeigte die Auktionsgüter - die Lose - und die Gebote so an, wie sie abgegeben wurden - die Preise waren in allen wichtigen globalen Währungen notiert. Zwei weitere Bildschirme waren den Online-Geboten vorbehalten. Immer wenn ein Bietergefecht ausbrach, drehten sich unsere Köpfe von einem Bildschirm zum anderen, wie bei einem Tennis-Turnier.

Das Bieten selbst begann mit wenig Tamtam. Nach einer kurzen Erklärung der Regeln legte Auktionatorin Caroline Lang los. Die Lose waren auch schnell ersteigert, entweder von einer Person im Raum oder via Telefon beziehungsweise Internet. Lang hatte damals als eine von wenigen Frauen in einem von Männern dominierten Bereich begonnen. Sie erzählte mir, wie sie bei ihrer ersten Auktion 1992 vor lauter Nervenkitzel zwei Kilo verloren hatte. "Und anstatt mit meinem Hammer auf Massivholz zu schlagen, habe ich mein Wasserglas zerschmettert. Es war wirklich sehr dramatisch, aber du lässt dich darauf ein", erzählte sie lachend.

Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten: Caroline Lang mit dem Auktionshammer

Mit 30 Jahren Auktionserfahrung führte Lang witzig und scheinbar mühelos in einer Kombination aus Englisch, Deutsch und Französisch durch den Abend. Sie spickte ihren "Gesang" - damit meine ich diese spezielle Sprechweise bei Auktionen - oft mit Lagerfeld-Zitaten; Sie brachte alle zum Lachen, als sie einen zaudernden Bieter anschubste:"Schauen Sie nicht so schockiert, bieten Sie einfach!"

Während mich die gebotenen Summen erschütterten - eine von Lagerfelds Modeskizzen, die ursprünglich auf etwa 500 bis 800 Euro geschätzt worden war, ging für 32.760 Euro weg -, wurde ich einigen Bietergefechten gewahr, die um Artikel wie ein Paar Slipper aus Samt mit Monogramm ausbrachen. Einer, der wiederholt online mitbot, trug dabei eine faszinierende Nummer: 0007.

Sie wurden auf 300 bis 500 Euro geschätzt, Karl Lagerfelds John-Lobb-Samt-Slipper - und für ein Vielfaches ersteigert

An einem besonders spannenden Bieterkrieg beteiligten sich ein Herr, der direkt vor mir saß, und ein anonymer Online-Bieter. Der Gegenstand, um den es ging, war Lagerfelds Arbeitstisch aus Aluminium, Glas und Plexiglas aus dem 20. Jahrhundert, der zusammen mit einem Zeitungsständer aus Edelstahl sowie einem Stuhl aus Metall und weißem Leder angeboten wurde. Als der anwesende Herr schließlich gewann, brachen alle in Applaus aus. Champagnerflöten wurden ihm und seinen Begleitern überreicht, was Lang zu einem Scherz veranlasste: "Sie können die ganze Flasche haben, wenn Sie wollen!"

Ich traf später auf ihn, als er auf sein Uber-Taxi wartete. Der umgängliche Geschäftsmann, der nur "Christian aus Hamburg" genannt werden möchte und "Karl Lagerfeld wegen seines Charakters mag", sprach von einer "Herzensangelegenheit": "Ich wollte eigentlich bei 5.000 und 10.000 Euro aufhören, aber manchmal muss man sein Herz fragen und es sprechen lassen. Obwohl ich eigentlich ein besonnener Geschäftsmann bin, wie Hamburger eben sind. Aber da habe ich 'nein' gesagt, das ist eine Herzensangelegenheit - und ich bereue es nicht", sagte er über seinen neuen 35.280-Euro-Schreibtisch, der seinen 40 Jahre alten Schreibtisch ersetzen wird. Den hatte er seit seiner Studienzeit verwendet.

Dieses Objekt aus dem Lagerfeld-Nachlass erzielte bei der Auktion den höchsten Preis: Für 163.800 Euro bekam das Plakat eines Films von Fritz Rotstadt einen neuen Besitzer

Die Abendauktion am 4. Mai übertraf schließlich alle Schätzungen und erzielte insgesamt 631.764 Euro. Die dreiteilige Auktion endete am Freitagabend.

Zwischenzeitlich stattete ich der Tankstelle in meiner Nachbarschaft einen Besuch ab, um mir ein Eis zu holen. Bei all dem Adrenalin bekam ich ein Verlangen nach Zucker. Passend zum Abend suchte ich mir eines aus, das den Namenszusatz "Gold-Karamell-Milliardär" trägt.

Adaption aus dem Englischen von Verena Greb

Lagerfelds tiefer Pferdeschwanz und die Sonnenbrille waren sein Markenzeichen. So ziert seine Silhouette stilecht das Emblem seines Modelabels "Karl Lagerfeld". Unverzichtbar waren für den Designer aber auch das Hemd mit Stehkragen, Krawatte und Jackett, Lederhandschuhe sowie bis zu 30 Ringen an den Fingern. Zum Arbeiten trug er aber auch einfach mal schwarze Pullis.

"Alles, was ich seit 2002 anhabe, ist von Dior und Hedi Slimane", sagte Lagerfeld einmal. Um die schmal geschnittenen Slimane-Anzüge tragen zu können, nahm er über 40 Kilogramm ab. Diesen Erfolg vermarktete er als Buch: Seine 3D-Diät (Design, Doktor, Diät) basiert vor allem auf eiweißhaltiger Nahrung. Cola Light mochte er auch und ließ es sich nicht nehmen, eine eigene Flasche zu designen.

"Ich kann einfach nicht aufhören, Bücher zu kaufen. Sie stehen bei mir überall. Mein Bett ist von Büchertürmen umgeben, die Wände voller Regale. Ich habe kaum Platz für Bilder. Ich finde das wundervoll." Rund 300.000 Exemplare umfasst Lagerfelds Sammlung, vor allem Bildbände über Mode und Kunst, Geschichts- und Philosophiebücher sowie Essays und Gedichte. Letztere las er am liebsten.

Neben Büchern und Mode gebührte Lagerfelds dritte Leidenschaft seinen Musen. Allen voran die Katze Choupette. Sie unterhält mehrere Diener, einen Facebook- und Twitteraccount und hatte Karl schon zu zwei Chanel-Kollektionen inspiriert. "Sie hat etwas Unvergessliches an sich", schwärmte der Modeschöpfer. "Sie ist eine Inspiration für Eleganz. Für Haltung."

Choupette aber war bei weitem nicht Lagerfelds einzige Muse. Ab 1990 förderte er beispielsweise Claudia Schiffer (Foto), die sich vom Chanel-Mädchen zum internationalen Spitzenmodel entwickelte. Später war der Franzose Baptiste Giabiconi seine Inspirationsquelle: Ihn lichtete er am liebsten selbst ab und präsentierte die Ergebnisse in Fotobänden und Ausstellungen.

Zur Fotografie kam Lagerfeld 1987. Denn nicht immer entsprachen die Werbe-Kampagnen für Chanel seinen hohen ästhetischen Ansprüchen, sodass er die Kamera lieber selbst in die Hand nahm: Zahlreiche Chanel-Kampagnen schoss er, lichtete Stars wie Nicole Kidman ab, fotografierte Modestrecken für die "Vogue", drehte Kurzfilme für Fendi und Co. Für Opel setzte er seine Choupette in Szene.

"Jogginghosen sind das Zeichen einer Niederlage. Man hat die Kontrolle über sein Leben verloren und dann geht man eben in Jogginghosen auf die Straße", so Lagerfeld. Etwas anderes galt sicherlich für seine Chanel-Variante (Bild), die er 2014 im Rahmen seiner "Freizeitgestaltung mit beruflichem Hintergrund" entwarf. So umschrieb Lagerfeld nämlich, was er tat. "Am Fließband stehen, das ist Arbeit."

Lagerfeld war seine eigene Marke - aber in erster Linie war er eins: die Seele des Modehauses Chanel, für das er mehr als 35 Jahre lang Haute Couture und Prêt-à-Porter-Kollektionen kreierte. Als er - erstmals überhaupt in seiner Zeit als Kreativdirektor - nicht bei der Chanel-Modenschau in Paris erschienen war, hatten die Spekulationen über seinen Gesundheitszustand begonnen.

Die Motive stammen aus der Feder des deutschen Sängers und Malers Udo Lindenberg. Das Geld wird an die Unicef Nothilfe für Kinder in der Ukraine gespendet.  

Marina Abramović legt ihre legendäre Performance "The Artist is Present" von 2010 neu auf und versteigert Tickets für die New Yorker Sean Kelly Gallery. Der Erlös geht an eine Hilfsorganisation für die Ukraine.  

Die Modewelt ist sich einig: Karl Lagerfeld war einer der ganz Großen. Seine Arbeit für Chanel und andere Labels hat die Mode stark beeinflusst. Am 19. Februar 2019 ist der Modedesigner in Paris gestorben.  

Ihr Besitzer war davon überzeugt, dass seine "Mona Lisa" das Original von Leonardo da Vinci sei. Nun wurde sie für das Zehnfache der Schätzung verkauft.  

Ein wenig Luxus gefällig? Das Auktionshaus Sotheby's in Köln versteigert hunderte Stücke aus dem Nachlass des legendären Modeschöpfers Karl Lagerfeld. Startgebote ab 10 Euro.

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